Gruppenbild der Bruderschaft 2024 vor dem Denkmal

Entstehung und Entwicklung

Quelle: Festschrift zum 125-jährigen Bestehen der St. Hubertus Schützenbruderschaft Unterbach 1870 e.V.

Kaum eine Gruppierung unserer Gesellschaft kann auf eine so lange Tradition zurückblicken, wie die historischen Schützenbruderschaften, deren urkundliche Erwähnung bereits zu Beginn des 12. Jahrhunderts belegt ist.

Um gemeinsame Interessen durchzusetzen, um in Not und Krankheit Unterstützung zu finden, bilden Menschen Solidargemeinschaften. Was heute die Gewerkschaften, Kammern, staatlichen und privaten Sozial- und Lebensversicherungen sind, das waren im Mittelalter und den späteren Jahrhunderten die Gilden, Zünfte, Bruderschaften und Nachbarschaftsorganisationen. Diese genossenschaftlichen Personenverbände dienten der Sicherung des Menschen im Leben und – anders als heute – nach dem Tod. Das Bedürfnis, sich über die eigene Familie bzw. Sippe hinaus zu gegenseitiger Unterstützung zu „verbrüdern“ war schon im frühen Mittelalter sehr gegenwärtig. An den wichtigen Zentralorten des Handels schlossen sich Kaufleute und Handwerker zu genossenschaftlichen Verbänden, dem sogenannten Gilden oder Zünften zusammen, um soziale Sicherheit und wirtschaftliche Vorteile zu erreichen.

Neben diesen Standesorganisationen, die in erster Linie weltlichen Zwecken dienten, entstanden sehr viele Bruderschaften (Fraternitäten), die sich mehr den geistlichen Aufgaben widmeten. Sie waren im allgemeinen an eine Kirche angegliedert und stellten sich unter den Schutz eines Heiligen. Sie fanden sich zusammen zum gemeinsamen Gebet, zur Ausübung karitativer Aufgaben, und vor allem zur Totenbetreuung und Seelenfürsorge. Der mittelalterliche Mensch in seiner Frömmigkeit sorgte sich sehr um sein Seelenheil, bzw. sein Fortleben nach dem Tode. In der von Katastrophen (der großen Pest) und Weltuntergangsängsten geprägten Zeit, erlebten diese Personenvereinigungen eine Blütezeit. Die Organisationsstruktur und das bruderschaftliche Leben all dieser Gemeinschaften, so verschieden sie auch waren, sind heute noch ähnlich. Festgelegte Statuten, die Ziele und Aufgaben definieren, ein Vorstand und regelmäßige Zusammenkünfte bildeten ihr Gerüst.

Mit dem Anwachsen der städtischen Macht und dem Aufblühen der Städte kam das Schützenwesen seit dem 13. und 14. Jahrhundert aus dem flandrischen und nordfranzösischen Raum in unsere Lande. Die Idee wurde nicht zuletzt durch Kaufleute verbreitet, die Tuchhandel mit Flandern betrieben. In den Wirren und Unruhen der damaligen Zeit mussten die Bürger zur Selbstwehr greifen, um sich gegen mordende und plündernde Banden zu verteidigen. So entstanden gleichsam aus einer Verschmelzung von weltlichen Gilden und geistlichen Fraternitäten die Schützenvereinigungen. Bedingung für die Entstehung des Schützenwesens war der Einsatz der Schusswaffen seit dem 12. Jahrhundert, d.h. zunächst des Bogens und der Armbrust. Diese Waffen waren im Gegensatz zu einer ritterlichen Ausrüstung auch für die Bürger der Städte erschwinglich. Wegen der schwierigen Handhabung der Armbrust und später der Gewehre mussten regelmäßig Schießübungen abgehalten werden. So traf man sich in den wärmeren Jahreszeiten zu gemeinsamen Schießspielen (dem Vogelschießen) verbunden mit geselligen Elementen (den Schützenfesten). Der Begriff „Schütze“ umschreibt also nach mittelalterlichem Sprachgebrauch das „Schießen“, allerdings umfasst er auch den Schutzgedanken im Sinne von „beschützen“, nämlich die Verteidigung von Land und Bürger in Gefahrenzeiten. Vielfach waren rein politische Interessen der Landesherren für die Gründung von Schützenbruderschaften ausschlaggebend.

Der Kölner Erzbischof Ruprecht erließ im Jahr 1475 eine Verfügung, dass in jedem Kirchspiel im ganzen Erzstift Köln eine Bruderschaft zu gründen sei. Man kann davon ausgehen, dass diese Anordnung verstärkt in die Tat umgesetzt wurde. Viele Gründungshinweise, auch in unserer engeren Heimat weisen darauf hin (St. Seb. Bruderschaft 1484 und die St. Seb. Bruderschaft Hilden 1484). Ebenso Herzog Wilhelm von Jülich ordnete 1597 an, dass überall im Lande Schützenvereinigungen aus Rotten zu je 15 Mann zu bilden seien, zur Verteidigung von Land und Städten.

Auf solche Bürgerwehren führen zahlreiche Schützenvereinigungen ihre Anfänge zurück. Die Bezeichnung Schützenbruderschaften dagegen weist auf eine enge Beziehung dieser Gruppen zur Kirche hin. Sie organisierten sich nach dem alten Bruderschaftsprinzip der gegenseitigen Fürsorge im Leben und Tod. Neben weltlichen Aufgaben war das gemeinsame Leben ebenso von religiösen Vorschriften bestimmt. Zu den Pflichten der Schützenbrüder gehörte auch das feierliche Geleit verstorbener Brüder und die Teilnahme an Messen und Prozessionen. Wie die Fraternitäten stellten auch sie sich unter den besonderen Schutz eines Heiligen. Wobei der hl. Sebastian, hier im Rheinland, der am häufigsten gewählte Schutzpatron wurde, gefolgt vom hl. Hubertus.

Die Blütezeit des Schützenwesens fällt in das 15. und 16. Jahrhundert. Es gewann in den Städten sehr schnell großen Einfluss, so dass sich auch das Patriziat diesen Organisationen anschloss. Mit der Reformation verlor sich vielfach die enge Bindung an die Kirche, jedoch das Bruderschaftsleben ging weiter, wie die Schützen sich auch noch an Schutz- und Ehrengeleiten beteiligten.

Der dreißigjährige Krieg (1618-1648) bewirkte nochmals eine größere Zahl von Neugründungen, als Schutz gegen herumstreunendes Gesindel. Gegen Ende des Krieges wurden die Bruderschaften teilweise militärähnlich formiert. Als die Landesherren dazu übergingen, Truppenkontingente zu unterhalten und später im 17. und 18. Jahrhundert stehende Heere einzurichten, ging die Bedeutung der Schützenbruderschaften als Wehrverband zurück. Sie wurden zeitweilig noch zu untergeordneten Wachdiensten herangezogen und entwickelten sich immer mehr zu Vereinigungen, die sich neben dem mit Volksfesten verbundenem Schießen auf Vogel und Scheibe, vor allem der Geselligkeit widmeten. Im 18. Jahrhundert kommt es daher nur noch zu wenigen Neugründungen.

Mit der Besetzung des Rheinlandes durch die Franzosen wurde im Jahre 1798 durch die französische Verwaltung die Schützenverbände aufgehoben, das dabei beschlagnahmte Vermögen verfiel dem Fiskus.

Von 1801 an durften auf Drängen der Bevölkerung wieder Schützenfeste abgehalten werden. Nach dem Ende der napoleonischen Herrschaft lebten unter preußischer Verfassung, allerdings auf Verzicht alter Privilegien, die Schützenbruderschaften wieder auf. In der zweiten Hälfte des 19. und im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts kam es zu vielen Neugründungen von Bruderschaften in unserem Raum. Teils entstanden sie durch Abtrennungen infolge neuer Pfarrbezirke, teils wird der Grund in einer Renaissance „nationaler Bewegung“ zu sehen sein. Es waren Turner, Sänger und Schützen, auf die sich die demokratische Bewegung von 1848 (Paulskirche) stützte. Sicher wird auch neben dem Nationalwertgefühl die Frage des „sich gegenseitig stützen“ eine nicht zu verkennende Rolle gespielt haben, hat doch die industrielle Revolution, alte Normen des Zusammenlebens aufgehoben. Die Vereinsgründungen setzten sich über den ersten Weltkrieg hinaus fort. Förderlich für die gesamte Schützenschaft war die schnelle Entwicklung des Schießwesens.

Neben dem traditionellen Vogel- und Scheibenschießen mit neuen Waffen, kam später noch das Kleinkaliber- und das Luftgewehrschießen hinzu und somit rückte allgemein die schießsportliche Betätigung in den Vordergrund. Während des nationalsozialistischen Regimes (1933-1945) vermochten es die einzelnen Vereine, trotz der Behinderung durch das totalitäre System ihre Eigenständigkeit zu wahren. Nach dem zweiten Weltkrieg galt es zunächst besatzungsrechtliche Schwierigkeiten zu überwinden, dann jedoch lebte das Schützenwesen wieder auf, wobei sich zeigte, in welchem Maße in Jahrhunderten gewachsene Überlieferungen auch in unserer Zeit noch wirksam sind.

Wohl kaum eine andere Vereinigung kann von sich behaupten, dass sie die Geschichte vergangener Zeiten so entscheidend mitformte und ein Teil einer solchen geworden ist.